Gothmann Ventures GmbH
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Warum bist du Investor geworden? Was macht dich als Investor aus?
Die ersten 12 Jahre meines Berufslebens war ich Finanzbeamter – also maximal weit weg davon, Unternehmer und Investor zu sein – bis ich mit der Gründung von Taxdoo meine Berufung gefunden habe. Das klingt vielleicht etwas pathetisch. Aber eine Reise zwischen zwei Welten, in denen der Begriff Risiko jeweils eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung hat, ist auch emotional. Ich bin dann auch Investor geworden, weil ich es ungeheuer spannend und herausfordernd finde, was daraus entstehen kann, wenn motivierte Menschen mit einer Vision und das erforderliche Kapital zusammenkommen. Damit wird mein Kapital, das für mich erstmal nur ein reiner Wertbehälter ist, zum Teil einer Idee, die etwas bewirken kann. Das ist faszinierend, lehrreich und motivierend zugleich.
Welche Vorkenntnisse bringst du mit?
Wenn man ein Unternehmen mit ĂĽber 160 Mitarbeitern, mehren tausend Kunden und einer starken Brand im Bereich TaxTech aufgebaut hat, hat man mit Sicherheit auf diesem Weg viele Fehler gemacht und noch viel mehr gelernt: ĂĽber das GrĂĽnden, ĂĽber sich selbst als GrĂĽnder, Unternehmer und auch Manager. Ăśber die vergangenen Jahre haben wir mehr als 75 Millionen Euro an Kapital eingesammelt und die Steuerwelt im E-Commerce neu definiert. Gerade fĂĽr den letzten Teil brenne ich und habe eine Passion darin gefunden: meiner Branche ein neues Gesicht zu geben; sie neu zu definieren. Das ist im Technologiebereich oft ein Zusammenspiel aus der Positionierung des Produktes und einer ĂĽbergeordneten Kommunikation ĂĽber verschiedene Kanäle an unterschiedliche Stakeholder und Multiplikatoren. Das macht mir fast noch mehr SpaĂź als Steuerrecht selbst.Â
Welche Geschäftsmodelle und Branchen findest du besonders spannend und warum?
Investoren lieben Geschäftsmodelle mit Burggräben und Netzwerkeffekten. Daher erwarte ich von jedem meiner Investments, dass sie in Zukunft die Standards für ihre Branche setzen. Nun kann nicht jeder das nächste Amazon gründen. Ist das also ein Widerspruch? Nein! Ich komme aus der Welt der Regulierung, der Normen, der Gesetze. Dort hat die Digitalisierung und die Automatisierung häufig erst begonnen. Mit einem agilen und diversen Team, in dem Branchenkenntnisse, Regulierungskenntnisse und Technologieverständnis zusammenkommen, kann man meiner Erfahrung nach relativ schnell genau diesen Status erreichen. Daher investiere ich besonders gerne in Teams und Unternehmen, bei denen das zusammenkommt und der Markt hinreichend stark reguliert ist – in den vergangenen zwei Jahren z.B. in traide AI, die Zollprozesse mittels KI automatisieren; Tangany, die eine White-Label-Lösung für das Verwahren von digitalen Assets für Banken und Sparkassen entwickelt haben oder Insify, die digitale Versicherungspolicen für SME und Freelancer anbieten – um hier nur einige zu nennen, die aus meiner Sicht diese Balance zwischen Innovation und Regulierung leben.
Welche Eigenschaften, Faktoren oder Kennzahlen sind fĂĽr dich ausschlaggebend, um in ein Start-up zu investieren?
In dem frühen Stadium, in dem ich regelmäßig investiere, sind Unternehmenskennzahlen häufig noch nicht sehr werthaltig. Ich investiere nicht in Retail-Geschäfte, sondern ausschließlich in Technologieunternehmen, die den Anspruch haben, Thought-Leader zu sein. Wenn die Gründer dann auf mich zukommen, arbeiten sie häufig erst an ihrem MVP und planen ihre GTM-Strategie. Umsätze liegen dann meistens noch nicht vor. Ich schaue mir daher das Folgende intensiv an: das Gründerteam, den Markt/TAM, die damit zusammenhängende Produktvision – die aus dem MVP noch nicht zwingend hervorgehen muss – sowie die Regulierung.
Was sind deine wichtigsten Faktoren bei der Einschätzung von Gründer:innen Teams?
Als wir 2016 Taxdoo gegründet haben, waren wir drei Gründer, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten, auch wenn das auf den ersten Blick von außen – drei männliche BWL-Doktoranden Anfang/Mitte Dreißig – nicht offensichtlich war. Einer im Team war der Technologieexperte, der in den ersten Jahren sogar noch selbst gecodet hat, der andere (ich) hatte ein grundlegendes Verständnis der Regulierung (Umsatzsteuer im E-Commerce), des Marktes und der Zielgruppe und der Dritte im Bunde hatte die Gabe, zwischen der Welt der Steuern und der Welt der Technologie zu vermitteln und die erforderlichen Prozesse im Unternehmen zu bauen. Das hat mich natürlich geprägt. Ich mag daher Gründerteams, die in Bezug auf ihre Fähigkeiten, ihre Lebensläufe und auch ihres Charakters divers sind. Dabei sollte immer mindestens einer dieser Lebensläufe auch die Vision des Unternehmens widerspiegeln. Das ist insofern wichtig, weil jeder Start im Technologiebereich häufig mit einem MVP beginnt, das nicht selten mehr als ein Feature ist. Es ist aber nicht mein Anspruch, in eine Ansammlung aus Features zu investieren. Die Unternehmen, die am Ende die Benchmarks für ihre Branche sind, haben von Beginn an eine umfassende und konsitente Produktvision.
Wie sieht deiner Meinung nach die ideale Beziehung zwischen Investor:in und GrĂĽnder:in aus?
Als Unternehmer und zugleich Investor unterscheide ich strikt zwischen diesen beiden Welten, deren Grenze spätestens beim operativen Geschäft verläuft. Wenn es um operative Fragen geht, halte ich mich raus und gebe auch nicht ungefragt Ratschläge, denn dafür bin ich zu weit weg und damit nicht qualifiziert. Wenn ich in ein Team investiere, glaube ich zu 100 Prozent an die Menschen und die Vision, daher bin ich immer bereit, mein Netzwerk und die damit verbundenen Türen zu öffnen. Das halte ich für wichtig, denn ich maße mir nicht an, auf jede strategische Frage, mit der Gründer immer auf mich zukommen dürfen, per se selbst eine kluge Antwort parat zu haben.
Welche Aspekte sind dir im Pitch am wichtigsten? Und gibt es einen häufigen Fehler, den Start-ups beim Pitchen machen?
In dem frühen Stadium, in dem ich häufig investiere, will ich auf gar keinen Fall sehen, wie schnell das Team X Prozent des TAM erreicht haben wird – bzw. wie schnell man die 1, 10 oder 100 Millionen Euro ARR im Topf hat. Wenn ich sowas sehe, hat man mich verloren, denn solche Prognosen sind, wenn man gerade am MVP arbeitet, lediglich für den Papierkorb gut. Ich mag auch keine Wettbewerbsanalysen – Es gibt immer Wettbewerb! – in denen die potenziellen Wettbewerber ausschließlich als analoge Dinosaurier dargestellt werden, die sofort aus dem Markt gedrängt werden, sobald das MVP live geht. Da erwarte ich mir schon deutlich mehr Analyse, Differenzierung und Selbstreflexion. Ein guter Pitch im Pre-Seed- oder Seed-Stadium ist ein Narrativ, das um das Gründerteam und dessen individuellen Fähigkeiten herum aufgebaut wird. Darüber hinaus muss ich das Produkt bzw. das MVP und dessen Mehrwert im Vergleich zum Wettbewerb verstehen und auch die dazugehörige Go-to-Market-Strategie. Gerade Letzteres wird von Gründern oft unterschätzt, weil sie so in ihre Idee/ihr Produkt verliebt sind, dass sie glauben: Das verkauft sich von alleine.
Was wĂĽnschst du dir von GrĂĽnder:innen in der Zeit nach dem Investment?
Ich wünsche und erwarte Transparenz und Ehrlichkeit. Viele Pläne werden nicht aufgehen. Das gehört zum Gründen. Daher sollte im Austausch mit den Investoren nichts adjustiert oder beschönigt werden. Gute Investoren können das einordnen und werden deswegen niemals Druck aufbauen. Es geht immer um die Frage: Was haben wir aus den Fehlern gelernt und wie machen wir es jetzt besser. Mir ist bewusst, dass meine Investments Risikokapital darstellen und dass nicht jede Erwartung aufgehen wird. Gründer sollten 100 Prozent ihres Fokus darauf legen, ihre Vision zum Leben zu bringen und nicht Stunden damit, bunte Präsentationen für die Investoren zu bauen. Ich mag Teams, die selbst ihre größten Kritiker sind, sich stetig selbst hinterfragen und meine Frage damit vorwegnehmen.
Welchen Rat wĂĽrdest du einem Start-up geben, das gerade auf der Suche nach Investoren ist?
Der Pre-Seed- und Seed-Markt war nach 2022 nicht so eingefroren, wie der Markt für Growth-Investments (Series A, B, ...). Daher gab und gibt es immer einen Kapitalmarkt für großartige Teams mit großartigen Ideen in einem frühen Stadium. Wenn ich einen konkreten Rat geben sollte, dann diesen: Meidet Investoren, die versuchen, ihr eigenes Mindset, ihre Anschauungen oder im worst case gar ihre Produktvisionen im Unternehmen zu verankern. Das ist nicht die Aufgabe der Investoren, sondern einzig und alleine die Aufgabe der Gründer. Wenn es hier keine klare Aufgabenteilung gibt, wird das spätestens bei etwas Gegenwind zum Desaster führen. Sowas findet ihr aber aber in persönlichen Gesprächen, von denen ihr immer mehrere in unterschiedlichen Umgebungen (z.B. Zoom-Call, Treffen im Unternehmen, "entspanntes" Dinner, ...) führen solltet, schnell heraus.
Warum bist du im Investoren-Netzwerk der Founders League?
Ich habe selbst sehr gute Erfahrungen mit Investoren gemacht, die zuvor als Unternehmer einen beachtlichen Track-Record hatten. Diese Menschen eint, dass sie äußere und vor allem auch (eigene) innere Widerstände überwunden haben und gut einschätzen können, was ihr Mehrwert als Investor sein kann und was auch nicht. Das Netzwerk der Founders League mit dieser DNA entspricht daher genau meiner Vorstellung einer Plattform, wie ich sie mir als Gründer vor vielen Jahren gewünscht hätte.